Abigail Breslin (l-r), Lilou Siauvaud, Matt Damon, Camille Cottin und Tom McCarthy stellten den Film «Stillwater» in Cannes vor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Vianney Le Caer/Invision/AP/dpa)

Wie passen Glamour und Corona zusammen? Das ist die Frage, die beim Filmfestival Cannes von Anfang an eine wichtige Rolle spielt. Denn wenn man schillernde Fotos mit Stars vom roten Teppich um die Welt schicken will, dann passen da irgendwie keine Gesichtsmasken mit drauf.

Selbst, wenn sie mit Glitzersteinchen besetzt sind. Von den bisher üblichen Regeln wie Abstand halten, Testen und Impfnachweisen mal ganz abgesehen. Wie schwierig das alles zu vereinen ist, das offenbart das Festival in Südfrankreich tatsächlich schon in den ersten Tagen – auch bei der Premiere mit Matt Damons neuem Film, dem Thriller «Stillwater».

Als der 50-jährige Oscar-Preisträger Damon aus der Limousine aussteigt, gibt er wartenden Fans hinter den Absperrungen Autogramme. Am roten Teppich warten schon die Fotografen Schulter an Schulter auf die Stars. Vorm Eingang des Premierensaals begrüßt Festivalleiter Thierry Frémaux die Galagäste mit Handschlag oder Umarmung. Und im Grand Théâtre Lumière, dem größten Kino des Filmfests, warten mehr als 2000 Gäste: Der Saal ist voll besetzt.

Bilder wie diese können in Zeiten einer Pandemie durchaus irritieren. Was vielen Besuchern außerdem auffällt, ist, wie unterschiedlich die Regeln sind, die das Festival aufstellt. So müssen diejenigen, die in den Palais des Festivals wollen, das zentrale Gebäude auf dem Gelände, nachweisen, dass sie entweder vollständig geimpft, genesen oder in Besitz eines aktuellen Negativ-Tests sind.

Wenige Meter weiter aber, dort wo sich unter anderem das Grand Théâtre Lumière befindet, wird auf diese Kontrollen verzichtet. Warum an einer Stelle Corona-Prüfungen stattfinden und ausgerechnet beim Einlass für die größeren Kinos, in denen Hunderte Zuschauer aus unterschiedlichsten Ländern zusammenkommen, nicht? Fragen wie diese beantwortet das Festival auf Nachfrage bisher nicht.

Stattdessen entsteht der Eindruck, dass die Organisatoren vor allem Normalität suggerieren und an den bekannten Glanz anknüpfen wollen. Immerhin lebt das Filmfest Cannes von den Stars, wie sie vor Palmen posieren, am roten Teppich und vor dem Mittelmeer – und die Stars lassen sich vor so einer Kulisse auch gern feiern. Deswegen verwundert es nicht, dass auch das Team von «Stillwater», der in Cannes außer Konkurrenz läuft, nicht nur mit seinen Hollywoood-Stars angereist ist, sondern sich zur Premiere auch strahlend bei Fans und Fotografen zeigt. Ohne Masken, versteht sich.

Auf der Leinwand selbst, da wurde es dann allerdings deutlich weniger glamourös, erzählt «Stillwater» doch von einem Vater aus den USA, der seine in Marseille inhaftierte Tochter retten will. Damon spielt diesen durchschnittlichen, ziemlich einfachen Mann gewohnt überzeugend. Um seine Familie hat er sich früher kaum gekümmert, nun aber will er seiner Tochter zur Seite stehen und ihre Unschuld beweisen.

Regisseur Tom McCarthy, der bereits Regie führte beim Oscar-prämierten Journalisten-Drama «Spotlight», inszeniert das nicht als schnellen Thriller, sondern nimmt sich Zeit: Fast zweieinhalb Stunden braucht er, um seine Geschichte mit Bedacht auszuführen, nimmt dann allerdings in der letzten halben Stunde mit einigen Wendungen doch noch Fahrt auf.

Als das Licht im Saal nach Filmende wieder angeht, springen die Gala-Gäste von ihren Sitzen und jubeln den Stars zu. Minutenlang klatschen sie Beifall, während Matt Damon und Co. sich umarmen und den Zuschauern im voll besetzten Saal zuwinken. Pandemie? War da was?

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