Eckart von Hirschhausen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Dominik Butzmann/HERBERT Management/dpa)

In seinem neuen Buch «Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben» dreht Eckart von Hirschhausen auf mehr als 520 Seiten das ganz große Rad. «3 Krisen zum Preis von 2!» wird auf dem Cover angekündigt – tatsächlich sind es noch eine ganze Reihe mehr, die letztlich alle miteinander in Verbindung stehen.

Zentral ist die Botschaft, dass das Handeln gegen die Erderwärmung immens dringlich ist. «Die Klima-Krise hat massive Auswirkungen auf die Gesundheit», betont von Hirschhausen. «Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns!»

Eckart von Hirschhausen (Jahrgang 1967) studierte Medizin und ist seit mehr als 20 Jahren als Kabarettist, Autor und TV-Moderator aktiv. Seit einigen Jahren engagiert er sich für eine medizinisch und wissenschaftlich fundierte Klimapolitik. In sein Buch flossen Studienergebnisse, Interviews mit Experten sowie eigene Erlebnisse ein. Begleitet werden die Kapitel von einer Reihe hervorragender Infografiken.

Auf der Intensivstation

Die Klima-Krise sei eine Katastrophe mit Ansage, vom menschengemachten Treibhauseffekt habe er schon in der Schule gehört, schreibt der Mediziner. Auch ihm selbst hätten aber erst bestimmte Aha-Momente wie der Hitzesommer 2018 und ein im Zuge der Eisschmelze bröckelnder Alpenfels klar gemacht, dass es nicht um eine fiktive Zukunft oder ferne Länder, sondern das «Hier und Jetzt, mitten in Europa» geht.

«Unser aller Mutter liegt auf der Intensivstation», schreibt von Hirschhausen über den Zustand der Erde. «Sie hat Multiorganversagen, das Schlimmste, was man auf Intensiv haben kann.» Mehrere Systeme wie Atmung, Kreislauf, Entgiftung und Stoffwechsel funktionierten nicht mehr richtig. Es gehe um den nicht mehr wehenden Jetstream, gestörte Wasserkreisläufe mit Starkregen, Wirbelstürmen und Dürren. «Die Entgiftung ist blockiert durch Feinstaub und Mikroplastik in Luft und Wasser.» Und beim Stoffwechsel sei unter anderem der Eintrag von Stickstoff und Phosphat problematisch.

Er lebe gern im 21. Jahrhundert mit all seinen Möglichkeiten – und es solle nicht «unser letztes gutes Jahrhundert» sein. Nötig sei unter anderem ein stärkerer Fokus auf den Zugewinn an Lebensqualität statt Diskussionen über angebliche Verluste und Verbote. Als ein Beispiel wird unsere Ernährung genannt: Mit dem Umbringen von Nutztieren brächten wir auch uns selbst um. «Kurzfristig, weil wir mindestens doppelt so viel Fleisch essen, wie es gesund wäre. Und langfristig, weil die überstrapazierte Atmosphäre die Erde so aufheizt, dass wir bald keinen Grill mehr brauchen.» Industrielle Massentierhaltung sei einer der ganz großen Klimakiller, verantwortlich für mehr Treibhausgase als alle Autos, Schiffe und Flugzeuge der Welt zusammen.

Hitzewellen auch im Wasser

Als weiterer Bereich mit «unstillbarem Energiehunger» wird das Internet genannt. «Wäre das Internet ein Land, hätte es den sechstgrößten Stromverbrauch auf dem Planeten.» Allein ein Smartphone habe im Zuge von Streaming und Suchanfragen den Strombedarf eines kleinen Kühlschranks.

Von Hirschhausen erläutert, warum es besonders gefährlich ist, wenn sich das Wetter lange nicht ändert. Warum Katzen für Vögel wesentlich gefährlicher sind als Windräder und warum Klimaanlagen keine Lösung sind, sondern Teil des Problems. Er geht der Frage nach, ob Bioläden mehr sind als eine moderne Art des Ablasshandels für Besserverdienende. Erläutert, warum ein sorgsamerer Umgang mit Nahrungsmitteln nötig ist, warum man besser Wasser aus dem Wasserhahn trinken als es in Flaschen gefüllt nach Hause schleppen sollte und und warum auf dem schön gedeckten Tisch besser keine Schnittblumen stehen sollten.

Der Mediziner erklärt, dass es Hitzewellen auch im Wasser gibt und warum das gerade der Ostsee schwer zu schaffen macht – und auch der Gesundheit der dort Badenden. Ausführlich geht er zudem auf die Vermüllung des Planeten mit Plastik und die Folgen ein. «Geld kann man bekanntlich nicht essen. Aber wann haben Sie zuletzt eine Kreditkarte gegessen?», heißt es im Buch. «Ich behaupte: letzte Woche. Woher ich das weiß? Ich habe auch eine gegessen.» Jeder nehme inzwischen unbemerkt in etwa diese Menge an winzigen Plastikteilchen in einer Woche auf – mit ungewissen Folgen.

Gewinn im Verzicht

Das «größte, offensichtlichste und am meisten unterschätzte Gesundheitsproblem» für den Menschen aber sei die Luftverschmutzung. Zwar seien zum Beispiel Motoren über die Jahre tatsächlich sauberer geworden – die Autos aber auch schwerer und die Reifen breiter. Der Fortschritt an der einen Stelle werde aufgefressen durch Maßlosigkeiten an einer anderen. Wegen des Abriebs von Reifen und Bremsen seien selbst Elektroautos kein Allheilmittel für die Luftqualität. «Die effektivste Methode zur Vermeidung von Feinstaub bleibt daher: Rad fahren.» Was auch kein Verzicht, sondern durch das Plus an Bewegung ein Gesundheitsgewinn sei.

Das Buch schließt mit dem Kapitel «Mein Traum 2050», in dem von Hirschhausen darüber sinniert, wie sie sein könnte, die Welt, wenn es doch noch gelingt, das Steuer rechtzeitig herumzureißen. «Mensch, Erde!» bietet eine immense Fülle an Informationen, Einschätzungen und Tipps für das eigene Handeln im Sinne einer besseren, gesünderen Welt. Dabei gelingen dem Mediziner zwei Dinge besonders gut: Zum einen, dem Leser klarzumachen, dass es wirklich allerhöchste Dringlichkeit hat, bei Klima-Krise und Artensterben gegenzusteuern. Und zum anderen, dabei keine schlechte Stimmung zu verbreiten, sondern immer wieder klarzumachen, wie viel Gewinn im vermeintlichen Verzicht liegen kann.

– Eckart von Hirschhausen: Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben, dtv Verlag, 2021, 24,00 Euro, 528 Seiten, ISBN 978-3-423-28276-5.

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