Die künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner im Festspielhaus. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Nicolas Armer/dpa)

Katharina Wagner hat schwere Zeiten hinter sich. Erst mussten die Festspiele 2020 wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden, dann erkrankte sie selbst so schwer, dass sie wochenlang im Koma lag.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagt sie, wie es ihr heute geht und worauf sie sich in diesem Festspiel-Jahr am meisten freut.

Frage: Ob die Festspiele 2021 stattfinden können, stand lange auf der Kippe. Wie lange hatten Sie Zweifel, ob das was wird in diesem Jahr?

Antwort: Ich habe nie daran gezweifelt, da alle Beteiligten die Festspiele wollten.

Frage: Das werden Festspiele, wie es sie so wohl noch nie gegeben hat. Auf was freuen Sie sich nach einem Jahr Pause besonders?

Antwort: Auf höchstwahrscheinlich 911 Personen im Saal und auf den einzigartigen Wagnerklang unseres Orchesters live aus dem Orchestergraben. Wieder vor echtem Publikum spielen zu können freut mich am allermeisten. Ich bin sehr zufrieden mit unserer künstlerischen Aufstellung und freue mich besonders auf die Konzerte mit Andris Nelsons, Christian Thielemann und die Walküre unter Pietari Inkinen, der auch den Ring 2022 dirigieren wird. Unser diesjähriger Diskurs «Ring 20.21» verspricht szenisch und musikalisch sehr spannend zu werden (…).

Frage: Und was werden Sie in diesem Jahr vermissen?

Antwort: Die volle Anzahl an Zuschauerinnen und Zuschauern.

Frage: Im vergangenen Jahr um diese Zeit waren Sie schwer krank – wie geht es Ihnen heute?

Antwort: Sehr gut, ich fühle mich und bin auch wieder vollständig genesen.

Frage: Es hieß, Sie hätten mit dem Rauchen aufgehört. Halten Sie den Vorbereitungsstress ohne Zigaretten aus?

Antwort: Schwerlich, aber ja.

Frage: Die Gesellschafter nehmen in diesem Jahr deutlich mehr (Steuer-)Geld in die Hand, um Festspiele zu ermöglichen, die aber leider noch weniger Menschen vor Ort erleben können als üblicherweise schon. Ist das gerechtfertigt?

Antwort: Wir sind den Gesellschaftern sehr dankbar für dieses wichtige Zeichen. Hätten die Festspiele erneut abgesagt werden müssen, wäre dies ein auch kulturpolitisch bedenkliches Signal gewesen. Nun haben wir nahezu die halbe Auslastung, insoweit werden sich auch die Mehraufwendungen im Verhältnis reduzieren, ursprünglich hätten nur etwas mehr als 200 Zuschauer zugelassen werden sollen.

Frage: Das Rahmenprogramm ist in diesem Jahr besonders ausgefeilt. Ist das die Bayreuther Zukunft? Mehr Programm auch abseits der großen Festspielhaus-Bühne?

Antwort: Neben dem Diskurs «Ring 20.21» freue ich mich persönlich auch sehr auf die Kinderoper im Reichshof mit keinem Geringeren als Stephen Gould als Tristan. Auch der Meisterkurs Gesang wird in diesem Jahr wieder stattfinden, diesmal mit John Lundgren.

Frage: Wie wird denn der neue «Holländer»?

Antwort: Es wird geprobt, am Premierentag werden wir es erleben.

Frage: Mit Oksana Lyniv steht in diesem Jahr zum allerersten Mal in der Festspielgeschichte eine Frau am Dirigentenpult. Warum hat das 145 Jahre gedauert?

Antwort: Weil es offenkundig nicht genug Dirigentinnen gab. Ich bin gespannt, wie Frau Lyniv die herausfordernde Aufgabe hier im besonderen Bayreuther Orchestergraben meistern wird.

Frage: Bei den letzten Festspielen im Jahr 2019 gab es eine Debatte um Buhrufe für die schwarze Drag-Queen Le Gateau Chocolat. Muss die Opernszene insgesamt diverser werden? Und was kann Bayreuth dazu beitragen?

Antwort: Die Inszenierung von Tobias Kratzer regt zum Nachdenken an und ruft vielfältige Reaktionen hervor, so soll es auch sein. Ich finde die Inszenierung hervorragend und ja, Oper muss und soll divers sein.

Frage: Sie haben den als «Blutkünstler» bekannt gewordenen Hermann Nitsch in diesem Jahr für die «Walküre» engagiert – warum?

Antwort: Weil ich Hermann Nitsch für einen herausragenden bildenden Künstler halte, dessen Lebenstraum sich mit dem Engagement in Bayreuth erfüllt. Es war unser Wunsch, in diesem pandemiebedingt ringfreien Jahr dennoch nicht nur auf einen Ring zu verzichten. Durch Auftragswerke in verschiedenen Kunstrichtungen werden alle Teile des «Ring des Nibelungen» gespiegelt, kommentiert, fortgeschrieben oder neuartig erlebbar gemacht.

Frage: Wie sieht es denn mit dem verschobenen «Ring» aus? Wird der 2022 so auf die Bühne kommen wie er für 2020 geplant war? Oder hat sich durch die Corona-Krise an den Inszenierungen etwas geändert?

Antwort: Es wird bereits geprobt und keine «Corona-Version» werden, die Bühnenbilder wurden auch bereits im letzten Jahr angefertigt, es hat eine auch konzeptionelle Abgabe bereits vor längerer Zeit stattgefunden. Ich darf bereits verraten, dass diese Produktion des jungen Teams das Potential hat, Festspielgeschichte auf höchstem Niveau weiterzuschreiben, sowohl szenisch wie auch musikalisch.

Frage: Was war für die Festspiele die größte Herausforderung in der Krise?

Antwort: Den Mut nicht zu verlieren und alles dafür zu tun, damit Festspiele in diesem Jahr wieder möglich sind.

Frage: Welche Auswirkungen hat Corona auf die Spielpläne in den kommenden Jahren, die ja immer schon Jahre im Voraus weitgehend feststehen?

Antwort: Es mussten Neuproduktionen verschoben werden, ursprünglich hätte es bereits im letzten Jahr den neuen Ring geben sollen. Auch die Neuproduktionen «Parsifal» und «Tristan und Isolde» mussten verschoben werden.

Frage: Glauben Sie, dass die Corona-Pandemie auch dauerhaft Auswirkungen auf die Festspiele und die Opernszene insgesamt haben wird?

Antwort: Das hoffe ich nicht, da das Live-Erlebnis durch nichts zu ersetzen ist, auch nicht durch Streamings.

Frage: 2020 fielen nicht nur die Festspiele aus, sondern auch die Premieren Ihres «Lohengrin» in Barcelona und Leipzig. Wann und wo bekommt das Publikum Ihre Inszenierung denn nun zu sehen?

Antwort: 2022 in Leipzig und voraussichtlich 2025 in Barcelona.

Frage: Wann werden Sie selbst mal wieder in Bayreuth inszenieren?

Antwort: Die kommenden Jahre dürfen erst einmal andere bestreiten.

Frage: Sie gehen ohne einen Musikdirektor Christian Thielemann in die Festspiele 2021, weil sein Vertrag zum Jahresbeginn ausgelaufen ist. Wird es einen neuen Vertrag mit ihm als Musikdirektor geben?

Antwort: Wir befinden uns dazu gerade in guten Gesprächen, des Titels Musikdirektor bedarf es dabei nicht.

Frage: Ihre Prognose: Wird 2022 auf dem Grünen Hügel wieder alles so sein wie vor Corona?

Antwort: Im nächsten Jahr werden wir hoffentlich wieder zu einer Vollbesetzung im Zuschauerraum zurückkehren können und den Chor in gewohnter Weise wieder auf der Bühne auftreten und singen lassen können.

Zur Person

Katharina Wagner (43) ist die Urenkelin von Richard Wagner und leitet seit 2008 die Bayreuther Festspiele, die traditionell am 25. Juli beginnen – zunächst gemeinsam mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier, seit 2015 allein. Ihr Bayreuth-Debüt als Regisseurin gab sie 2007 noch unter der Intendanz ihres Vaters Wolfgang Wagner mit den «Meistersingern», 2015 brachte sie dort «Tristan und Isolde» auf die Bühne. Es ist ihre bislang einzige Regie-Arbeit auf dem Grünen Hügel als Festspiel-Chefin. Im vergangenen Jahr erlitt sie eine Lungen-Embolie und lag wochenlang im Koma. Heute geht es ihr nach eigenen Angaben wieder gut.

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