Noch liegt die Krone neben ihm: Thronfolger Charles bei der formales Eröffnung des britischen Parlaments. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Dan Kitwood/PA Wire/dpa)

Die Krone trug er noch nicht. Dieses Zeichen der Macht steht Prinz Charles bisher nicht zu.

Doch als der älteste Sohn von Queen Elizabeth II. in Galauniform formal das britische Parlament eröffnete, thronte die schwere Imperial State Crown des Monarchen ganz in seiner Nähe auf einem samtenen Kissen. Das Bild macht deutlich: Auch ohne Krönung wird Charles immer mehr zum Gesicht der britischen Monarchie.

«Der Thronfolger steht kurz davor, de facto Prinzregent zu werden», sagte Peter Hunt, einst Royals-Kommentator der BBC, der Nachrichtenagentur PA.

Blick in eine Zukunft ohne Elizabeth II.

Offiziell sprang Charles beim sogenannten State Opening of Parliament am Dienstag nur kurzfristig für seine Mutter ein, die seit längerem wegen gesundheitlicher Probleme kürzertritt. Doch die historische Zeremonie bot bereits einen Blick in die Zukunft, in eine Zeit, in der die Herrschaft von Elizabeth II. unweigerlich beendet ist.

Zwar übertrug die Queen ihrem Sohn nur vorübergehend eines ihrer konstitutionellen Rechte. Denn für den Fall, dass die Monarchin aus irgendeinem Grund unpässlich ist, ist natürlich vorgesorgt. Mehrere sogenannte State Counsellors, üblicherweise die nächsten in der Thronfolge, übernehmen dann. Doch zentrale Rechte wie Ernennung des Premierministers oder – formale – Zustimmung zu Gesetzen bleiben unberührt.

Nun weisen erstmals britische Medien darauf hin, dass es theoretisch denkbar wäre, dass die Queen grundsätzlich ihre Aufgaben an Charles überträgt, aber im Amt bleibt. Eine solche Regentschaft gab es zuletzt vor mehr als 200 Jahren: Damals übernahm Prinz Georg, später König Georg IV., die Amtsgeschäfte von seinem Vater Georg III. bis zu dessen Tod 1820. Queen Elizabeth II. nimmt allerdings weiter ihre Pflichten wahr, daher stellt sich die Frage nicht.

Die Queen sammelt ihre Kräfte

Doch der Einsatz machte deutlich, dass Prinz Charles mittlerweile die zentrale Rolle im Königshaus einnimmt. Zumal es keinesfalls danach aussieht, dass seine Mutter ihre Malaisen bald überwindet. Im Gegenteil.

Die 96-Jährige wirkt immer gebrechlicher. Sie könne sich nicht bewegen, sagte die Queen kürzlich selbst. Es wird nicht damit gerechnet, dass sie je wieder das Parlament eröffnen wird. Die Ausnahme Charles dürfte nun zur Norm werden – und ist eine Zäsur.

Schon länger verzichtet die Königin auf Auslandsreisen und lässt sich von Mitgliedern der Royal Family vertreten. Mittlerweile nimmt die Queen auch immer weniger Termine im Inland wahr, selbst Veranstaltungen in Windsor nahe ihrer Residenz sagte sie zuletzt ab.

Die Queen, so die verbreitete Einschätzung, sammelt ihre Kräfte, um Anfang Juni bei den Feierlichkeiten zu ihrem 70. Thronjubiläum möglichst viele Veranstaltungen miterleben zu können.

Prinz William stand seinem Vater im Parlament zur Seite

Seit Jahrzehnten wird der 73-jährige Thronfolger auf seine künftige Aufgabe vorbereitet, er ist der am längsten amtierende «heir apparent» der britischen Geschichte. Als «weiteres Training» bezeichneten Royals-Experten den Auftritt im Parlament, den die Queen nach Auskunft aus Palastquellen am TV verfolgte.

«Es ist eine der vielen Aufgaben, die er lieber noch nicht übernehmen würde», sagte Joe Little von der Zeitschrift «Majesty». «Aber angesichts des fortgeschrittenen Alters seiner Mutter passiert all dies zwangsläufig. Selbstverständlich wird er es als Ehre empfinden, es in ihrem Auftrag zu übernehmen.»

Beachtung fand zudem, dass Queen-Enkel Prinz William seinem Vater Charles im Parlament zur Seite stand. Auch der 39-Jährige wird einmal Staatsoberhaupt sein. Der gemeinsame Auftritt bei der «Queen’s Speech», die nun eher eine «Prince’s Speech» ist, war «ein bedeutender Moment für zwei zukünftige Könige», wie Experte Hunt sagte. «Da sich die Queen zunehmend aus dem öffentlichen Leben zurückzieht, will der Palast zeigen, dass die Monarchie in den Händen von Vater und Sohn sicher ist.»

Denn auch wenn Charles nun verstärkt ins Rampenlicht tritt – klar ist, dass nicht die Person des Thronfolgers im Fokus steht. «Es geht um die Monarchie als Institution», sagte Royals-Expertin Tessa Dunlop dem Sender Sky News. Charles sei ein Teil der Institution. Das Haus Windsor sendet ein klares Zeichen: Auch mit dem ältesten Sohn von Elizabeth II. bleibt die Monarchie stabil.

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