Nach dem Scheitern von zwei Anträgen im Bundestag richtet sich die Aufmerksamkeit um die Aufarbeitung des Antisemitismus-Eklats zu Beginn der documenta zunächst wieder nach Kassel. In der nordhessischen Stadt wird eine Sitzung des Aufsichtsrates des documenta-Gesellschaft erwartet.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag forderte mit einem Entschließungsantrag eine «lückenlose Aufklärung» der Hintergründe. «Wir wollen, dass so etwas nicht nochmal passiert», sagte die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann am Donnerstag im Parlament.
Die Union setzte auf «transparente und konsequente Antworten» auf den Eklat. Es sollte eine unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt werden, «die Fehlplanungen, Fehlprozesse sowie Fehlentscheidungen aufzeigt sowie personelle Verantwortlichkeiten benennt». Der Antisemitismusbeauftragte sollte einen Bericht vorlegen, in dem Tragweite und Folgen des Skandals bewertet würden. Planungen für die nächste documenta in fünf Jahren sollten zurückgestellt werden, bis der Skandal aufgearbeitet sei und daraus entsprechende Maßnahmen folgten.
Der Unions-Antrag wurde von der Regierungsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP sowie der Linken abgelehnt. Auch ein Antrag der AfD, deren Abgeordneter Marc Jongen von einem «unfassbaren Skandal» bei der documenta sprach, fiel durch.
Hier herrscht Einigkeit
Weitgehend einig zeigten sich die Abgeordneten in der Verurteilung der Darstellungen. Bei der neben der Biennale in Venedig wichtigsten Ausstellung für Gegenwartskunst war nach der Eröffnung Mitte Juni eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache entdeckt worden. Das Banner «People’s Justice» des indonesischen Kunstkollektivs Taring Padi wurde daraufhin abgehängt. Bereits vor der Eröffnung hatte es weitgehend unbelegte Antisemitismusvorwürfe gegen das kuratierende Kollektiv Ruangrupa gegeben, das ebenfalls aus Indonesien stammt. Beide Kollektive haben sich inzwischen mehrfach entschuldigt.
Aus Sicht der CSU-Abgeordneten Dorothee Bär hat der Skandal dem Ansehen der documenta geschadet. Sie forderte personelle Konsequenzen, vor allem in Kassel. Helge Lindh (SPD) verwies darauf, dass es beim Antisemitismus nicht um Befindlichkeiten gehe, sondern um Fakten, Tatsachen und Geschichte, die zeige, dass Antisemitismus tötet. Erhard Grundl (Grüne) bezeichnete Antisemitismus als Angriff auf die Menschenwürde, der niemals geduldet werde.
Die Linke-Abgeordnete Petra Sitte (Linke) vermisste eine funktionierende Kuratierung bei der documenta. Nach einem «Skandal mit Ansage» übernimmt aus Sicht von Anikó Merten (FDP) niemand Verantwortung «für das Kontrolldesaster». Die Aufarbeitung sei bereits in vollem Gange.
Sie verwies wie andere Abgeordnete auf Pläne von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Die Grüne hatte Änderungen in der Struktur der documenta gefordert. Im Kern will Berlin mehr Einfluss, sonst soll es kein Geld mehr geben. Der Rückzug des Bundes aus dem Aufsichtsrat 2018 bei Festhalten an der Bundesförderung wird von Roth inzwischen als «schwerer Fehler» gewertet.
Der Vorsitzende des documenta-Aufsichtsrats, Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD), lehnt die Pläne des Bundes ab. Die hessische Kunstministerin Angela Dorn (Grüne), als Vertreterin des Landes Aufsichtsratsvize, stützt die Position Roths. Dorn hat auch eine Sondersitzung des Aufsichtsrats beantragt.