Nach mehr als 60 Jahren streiken die Schauspieler und Drehbuchautoren in den USA erstmals wieder gemeinsam und dürften den Betrieb in Hollywood auf unbestimmte Zeit lahmlegen. Im Kampf um bessere Vergütung sowie um Regelungen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz begann die Arbeitsniederlegung nach Angaben der Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA am Freitagmorgen um 00.01 Uhr – Ortszeit Los Angeles (09.01 MESZ). Via Twitter verkündete die Gewerkschaft den Streikstart mit einem schwarzen Bild. Zuletzt gab es einen solchen Doppelstreik in den USA im Jahr 1960.
Erste Auswirkungen sind auch in Deutschland bereits zu spüren, da die Hollywoodstars Ryan Gosling und Margot Robbie an diesem Samstag einem PR-Termin zum «Barbie»-Film in Berlin fernbleiben. Von den Stars kamen Solidaritätsbekundungen für ihre vielen deutlich schlechter bezahlten Kolleginnen und Kollegen. Bei einer Premiere des «Barbie»-Films in London sagte Robbie Medienberichten zufolge, sie unterstütze «alle Gewerkschaften nachdrücklich». Direktorin Greta Gerwig sagte, sie «möchte wirklich, dass sie stark bleiben und ihren Kampf gewinnen.»
Erwartet wurde, dass sich in den USA nun zahlreiche Schauspieler im Laufe des Tages zu den Drehbuchautorinnen und -autoren gesellen, die schon seit Anfang Mai mit Schildern und Sprechchören etwa in Los Angeles und New York streiken. Der Darsteller-Streik war am Donnerstag offiziell beschlossen worden, nachdem trotz wochenlanger Verhandlungen keine Einigung mit dem Verband der TV- und Filmstudios AMPTP erzielt werden konnte.
Der deutsche Bundesverband Schauspiel unterstützt den Schauspielerstreik. «Von uns bekommen sie volle Solidarität. In der deutschen Branche haben wir dieselben Probleme», sagte das Vorstandsmitglied Hans-Werner Meyer der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. Die Lage sei in der deutschen Schauspielbranche jedoch noch nicht so zugespitzt. Derzeit gebe es noch auf allen Ebenen Verhandlungen. «Wir sind noch nicht an dem Punkt, dass wir streiken müssten.» Der Verband vertritt nach eigenen Angaben die berufsständischen sowie die gewerkschaftlichen Interessen der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland.
Gosling («La La Land», «Blade Runner 2049») und Robbie («I, Tonya», «Bombshell – Das Ende des Schweigens») werden zur «Barbie»-Premiere nun nicht auf dem roten Teppich in Berlin erscheinen. Auch eine Pressekonferenz am Nachmittag entfalle. Die Premiere im Berlinale-Palast soll laut Agentur dennoch stattfinden – allerdings ohne die Hauptdarsteller. Der Film startet am kommenden Donnerstag (20.7.) in den deutschen Kinos.
Nach Einschätzung von US-Medien können nun kaum noch Filme und Serien gedreht werden. Mit wenigen Ausnahmen müssten nun alle Dreharbeiten mit Schauspielerinnen und Schauspielern vor der Kamera eingestellt werden, hieß es von der SAG-AFTRA. Zudem dürfen die Gewerkschaftsmitglieder eben auch keine Arbeit hinter der Kamera übernehmen, wie etwa Synchronsprecharbeiten, oder ihre Filme und Serien durch Werbeauftritte und Interviews bewerben. Die Gewerkschaft kündigte an, diese Bedingungen streng kontrollieren zu wollen.
Was ist mit KI?
Es wird noch dauern, bis Kinobesucherinnen und Kinobesucher die Auswirkungen der Streiks bemerken, da die meisten Blockbuster für dieses Jahr bereits abgedreht sind. Doch im TV-Bereich dürfte sich die Wirkung schneller entfalten. Schon der Streik der Drehbuchautorinnen und -autoren hatte der Branche zugesetzt: In den Vereinigten Staaten werden bereits Wiederholungen von Late-Night-Shows ausgestrahlt und eine große Zahl der Fernseh- und Filmproduktionen hat die Arbeit eingestellt oder unterbrochen. Wenn sich der Doppelstreik gegebenenfalls Monate hinzieht, könnten sich neue Staffeln populärer Sendungen verzögern.
Auch die deutsche Gewerkschaft sei fähig, in den Arbeitskampf zu gehen, unterstrich Vorstandsmitglied Meyer. «Auch in Deutschland steigt die Unzufriedenheit mit den Gehältern.» Das habe multiple Ursachen: Einerseits spürten auch die hiesigen Schauspielerinnen und Schauspieler die Inflation. Und andererseits stünden nicht nur viele Streamingdienste massiv unter Druck. «Die Öffentlich-Rechtlichen sparen beim Fernsehen und produzieren stattdessen für die Mediathek», sagte Meyer.
Ebenso wie die US-Schauspielgewerkschaft kritisiert Meyer die bislang fehlende Regulierung Künstlicher Intelligenz (KI). Das verweigerten die Studios bislang. «Das betrifft unser aller Zukunft und birgt am meisten Konfliktpotenzial», sagt Meyer. Das Problem sei, dass KI mit urheberrechtlich geschütztem Material gefüttert werde, für das die Kreativen keine Vergütung erhielten. Im Umkehrschluss mache das die Urheber überflüssig, so Meyer. Auf dem Markt gebe es bereits Software, die etwa Synchron- oder Hörbuchstimmen imitieren könne. «Wie sehr das Schauspielerinnen und Schauspieler betreffen wird, ist noch unklar, aber die Sorge ist ganz real.»