Charly Hübner als Hauptkommissar Alexander Bukow und Anneke Kim Sarnau als Profilerin Katrin König bei Dreharbeiten. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Wüstneck/dpa)

Die ARD feierte ihr Erfolgsformat zwar schon Ende Mai mit einem Jubiläumskrimi aus Halle an der Saale und einer Doku ab, aber das eigentliche Datum ist erst jetzt.

Am 27. Juni vor 50 Jahren lief der erste «Polizeiruf 110» im Fernsehen, sieben Monate nachdem in der Bundesrepublik das Krimiformat «Tatort» gestartet war.

Der «Polizeiruf» gehört zu den wenigen Formaten, die nach 1990 den Sprung vom DDR-Fernsehen ins vereinte Deutschland geschafft haben – und dort sogar auf den prominenten Sonntagssendeplatz des Ersten.

Der am letzten Sonntag (20.06.) gelaufene Münchner Fall «Frau Schrödingers Katze» – der dritte Krimi mit Polizeioberkommissarin Elisabeth «Bessie» Eyckhoff (Verena Altenberger) – war der 393. Krimi der Reihe seit 1971. Beim großen Bruder «Tatort» liefen seit 1970 schon 1170 Filme.

Viele sagen: Aus dem «Polizeiruf» als sozialistischem Gegenwartsfilm sei der – vor allem wegen weniger Teams – übersichtlichere und oft auch bessere «Tatort» geworden. Als besonders gelungen gelten etwa die Fälle aus Rostock, auch wenn dort 2022 nun Charly Hübner nach 24 Fällen in 12 Jahren an der Seite von Anneke Kim Sarnau aussteigt.

Der erste «Polizeiruf» vor 50 Jahren hieß «Der Fall Lisa Murnau». Darin ging es um den Raub von 70.000 Mark aus einem Postamt, bei dem die Schalterbeamtin lebensgefährlich verletzt wird.

Mord und Totschlag waren im «Polizeiruf» der 1970er und 1980er eher die Ausnahme. Sadistische Mörder waren die Täter der DDR-Krimis keine – und politisch motivierte Straftäter schon gar nicht. Stattdessen standen Menschen, die anders waren als der Normalbürger – Trinker, Diebe, Gestrauchelte – in den Drehbüchern.

Die Ermittler zu DDR-Zeiten waren keine Charaktere mit kompliziertem Privatleben oder psychischen Problemen. Das gab es im sozialistischen Kriminalisten-Kollektiv nicht. Die Büroarbeit, das kriminaltechnische Können und die Warnung vor dem Bösen standen im Mittelpunkt.

Starke Frauen-Figuren

Unvergessen sind Schauspieler wie Peter Borgelt als Oberleutnant (später Hauptmann) Fuchs, Jürgen Frohriep als sein Kollege Hübner, Alfred Rücker als Leutnant Subras und Lutz Riemann als Oberleutnant Zimmermann. Anders als beim «Tatort», bei dem es gut sieben Jahre bis zur ersten Frau Kommissarin dauerte, war beim DDR-Krimi von Anfang an eine Ermittlerin im Einsatz: Sigrid Göhler als Leutnant Vera Arndt.

Auch später faszinierten vor allem die Frauenfiguren, darunter Angelica Domröse als Hauptkommissarin Vera Bilewski, Katrin Sass als Kommissarin Tanja Voigt, Jutta Hoffmann als Wanda Rosenbaum, Gaby Dohm als Silvia Jansen oder Imogen Kogge als Johanna Herz.

Michaela May als Jo Obermaier und Edgar Selge als Jürgen Tauber in München sind vielen noch gut im Gedächtnis, ebenso wie Uwe Steimle als besserwisserischer Kommissar Jens Hinrichs oder Henry Hübchen als Tobias Törner in Schwerin. Legendär waren Jaecki Schwarz und Wolfgang Winkler, die von 1996 bis 2013 in 50 Krimis als Schmücke und Schneider in Halle (Saale) und Umgebung Verbrecher jagten.

Zum 50. Jubiläum des «Polizeirufs» kehrte der MDR nach Halle zurück – mit dem neuen Team Koitzsch und Lehmann, gespielt von Peter Kurth und Peter Schneider. Der erste Film mit dem Titel «An der Saale hellem Strande» blieb eine Auflösung schuldig und war mehr ein Panoptikum von Zeugen als ein guter Krimi. Das gekünstelte Drehbuch stammte von Clemens Meyer und Regisseur Thomas Stuber.

Einige Filme ragen besonders heraus

Herausragende Fälle zu DDR-Zeiten waren zum Beispiel der Film «Schuldig», der 1978 ungewöhnlich offen Missstände im sozialen Gefüge des real existierenden Sozialismus aufzeigte. Annekathrin Bürger porträtierte darin intensiv eine Trinkerin, was vielen Zuschauern den Atem stocken ließ. Der Film wurde bis zum Mauerfall nicht wiederholt.

1988 sorgte «Der Kreuzworträtselfall» unter anderem mit Günter Naumann als Hauptmann Günter Beck und Andreas Schmidt-Schaller als Leutnant Thomas Grawe für Aufsehen. Der Film beruhte auf einem echten Kriminalfall. Um das Verbrechen an einem Jungen, der tot in einem Koffer an einem Bahndamm gefunden wurde, zu lösen, sichteten Ermittler tonnenweise Altpapier, um den Täter zu überführen, denn in dem Koffer lag auch ein ausgefülltes Zeitungskreuzworträtsel.

2015 trafen sich in einem «Polizeiruf 110»-Crossover die Rostocker Ermittler mit denen aus Magdeburg. Eine Kooperation von «Polizeiruf» und «Tatort» gab es als Schnellschuss schon im Einheitsjahr 1990: Im deutsch-deutschen Krimi «Unter Brüdern» trafen die Kommissare Fuchs und Grawe (Borgelt und Schmidt-Schaller) auf Schimanski und Thanner im Westen (Götz George und Eberhard Feik).

Eine Folge über einen selbst minderjährigen Kindermörder wurde von den DDR-Machthabern kurz vor der Ausstrahlung 1975 verboten. Den Verantwortlichen war das Skript zu nahe an der Realität eines Delikts, das es in der DDR nicht geben sollte.

Das gesamte Material sollte vernichtet werden. Zufällig wurden die Filmrollen aber nach 1990 wiedergefunden, verschwanden dann aber wieder in den Wirren der Auflösung des DFF (Deutschen Fernsehfunks/Fernsehen der DDR) und tauchten erst 2009 im Deutschen Rundfunkarchiv Babelsberg wieder auf. Rekonstruiert mit Synchronsprechern wurde der Film schließlich 2011 ausgestrahlt – Titel: «Im Alter von…».

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