Im Badischen Landesmuseum wird vor einem Grabstein eines Centurio aus dem 1. Jahrhundert nach Christus auf einem Smartphone eine App gezeigt, mit der Museumsbesucher Kontakt zu Ausstellungsobjekten aufbauen können. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Uli Deck/dpa)

«STILLGESTANDEN!» Der Befehl des Centurio ist unmissverständlich. Ein, zwei Fragen und eine falsche Antwort später befiehlt er: «KNIEBEUGEN, weil du das nicht gewusst hast.»

Angefangen hatte alles noch fast romantisch mit einem «Perfect Match» auf der App «Mein Objekt». «Das ist wie Tinder für Museumsobjekte», sagt der Direktor des Badischen Landesmuseums, Eckart Köhne. Aus einer Auswahl von rund 80 Dingen kann der Nutzer wählen, welche ihn interessieren. Alle anderen wischt er wie bei der Dating-App weg.

Gibt es ein Match, beginnt ein Dialog. Dabei ist das gegenseitige Interesse – wie im echten Leben – keine Selbstverständlichkeit: Nicht alle Objekte hätten Interesse an einem Chat, verrät Köhne.

Noch ist die App in der Mache. Wenn das Museum im Karlsruher Schloss nach dem Corona-Lockdown wieder öffnen kann, soll es losgehen. Bis dahin soll auch ein neuer Name feststehen, sagt Johannes Bernhardt, der als Digital Manager am Museum arbeitet und mit Christiane Lindner die App verantwortet. «Mein Objekt» ist nur der Arbeitstitel.

Interessierte können dann aus unterschiedlichen Schaustücken quer durchs Museum verteilt auswählen. Kuratoren und Bürger hätten die Dialoge erarbeitet und den Objekten so eigene Charaktere verliehen. Manche sind eher für Kinder gemacht, andere für Profi-Gäste, wieder andere sollen vor allem Spaß machen, sagen Bernhardt und Lindner.

Dabei geht es mal um aktuelle Themen wie Corona, wenn man sich etwa für ein Aquamanile interessiert, ein Tongefäß zum Händewaschen. Das Stück hat einen Tierkörper, aber keinen Kopf – so fragt es, welches Tier es wohl sei? Ein hundert Jahre altes Glas mit eingemachten Tomaten verrät Rezepte zum Einlegen. Und der tote Legionär vom Anfang, mit dessen Grabstein man Kontakt aufnimmt, drillt nicht nur, sondern erklärt im Zweifel die lateinische Schreibweise von Zahlen.

«Die Gespräche haben mehr Inhalt als auf den Infotafeln steht», sagt Bernhardt. Und sie seien dramaturgisch aufgebaut, sollen so mehr Spaß machen. Wer zum Beispiel zu Hause auf dem Sofa anfängt, wird irgendwann von seinem Match zum Rendezvous ins Museum eingeladen. Fragen vor Ort erfordern dann durchaus den Blick fürs Detail. «Man soll sich also mit den Stücken selbst auseinandersetzen.»

Die Texte sind dabei fertig geschrieben, der Nutzer hat nur eine Auswahl an Antwortmöglichkeiten und kein freies Textfeld. Der Algorithmus merke mit der Zeit aber, für welche Art von Objekten man sich interessiere, welcher Tonfall im Gespräch gefalle, erläutert Lindner.

Digitalisierung in Museen ist – nicht erst seit Corona – ein großes Thema für die Häuser. Dabei geht es nicht bloß um die Digitalisierung von Sammlungsbeständen, sondern auch um Entwicklungen wie eben Apps oder Gaming im Museum. Der Deutsche Museumsbund, dessen Präsident Köhne ist, hat sich beispielsweise Digitales auf die Fahnen geschrieben. Es gibt Berater etwa für «Digital Storytelling», also um Geschichten mit Hilfe neuer Medien zu erzählen. Und es werden extra Stellen geschaffen – so sind Bernhardt und Lindner seit dem vergangenen Jahr fix im Badischen Landesmuseum angestellt. Ebenso ist dort ein Roboter unterwegs und dient Besuchern als Ansprechpartner.

Beim Projekt museum4punkt0 arbeiten unterschiedlichste Kultureinrichtungen zusammen. In einem Teilprojekt wurde hier die App «Mein Objekt» entwickelt – ursprünglich für das Humboldt-Forum in Berlin. Den Code zum Programmieren sollen auch anderen Einrichtungen zur individuellen Anpassung bekommen. Das Landesmuseum habe sofort Interesse gehabt, sagt Direktor Köhne. Und weil die Umsetzung in Berlin noch dauere, gingen die Karlsruher nun als Erste an den Start.

Ob sich der Einsatz einer App lohnt, müsse jedes Museum aufgrund unterschiedlicher Charakteristika für sich entscheiden, heißt es in einem Leitfaden über digitale Herausforderungen von Museen der MFG Innovationsagentur Medien- und Kreativwirtschaft Baden-Württemberg. Grundsätzlich spreche für Apps, dass sie Besucher neugierig auf das Museum machten und als Werbung dienten, bei der Vermittlung behilflich sein könnten und neue Zielgruppen ansprechen.

Digitalisierung sei dabei gar nicht mehr so ein altersabhängiges Thema, sagt Bernhardt. «Games sind auch für 40-Jährige Teil der Sozialisation.» Bei «Mein Objekt» gehe es vor allem um eine neue Form der Präsentation, um einen spielerischen Zugang, erklärt er. «Wir haben uns gefragt: Wie kann man Objekte zum Sprechen bringen?»

Ist ein Gespräch einmal geführt, kann man es nicht wiederholen – es sei denn, man startet die App ganz neu. Fast wie im echten Leben: gesagt ist gesagt. Und das Tête-à-Tête bleibe vertraulich, sagt Köhne augenzwinkernd: «What happens in the museum, stays in the museum.»

Copyright 2021, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten, Von Marco Krefting, dpa

Von