Albrecht Schuch wird als Shooting Star ausgezeichnet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa)

Kaum ein deutscher Schauspieler tauchte bei der Berlinale zuletzt so häufig auf. Albrecht Schuch (35) ist zum dritten Mal hintereinander in einem Wettbewerbsfilm zu sehen.

In der Neuverfilmung von Erich Kästners Roman «Fabian» spielt er den Labude. Und als Nachwuchstalent wird er bei den Filmfestspielen auch ausgezeichnet. Zeit für ein Videogespräch.

Frage: Herr Schuch, was meinen Sie eigentlich selbst: Sind Sie eines der «aufregendsten deutschen Schauspieltalente», wie eine Jury gerade geschrieben hat?

Antwort: Das kann ich nicht beurteilen. Das sind immer sehr große Headlines. Es hört sich auf jeden Fall groß an, es hört sich interessant an. Ich versuche dann immer, auf dem Boden zu bleiben und einfach meine Arbeit zu machen. Und allen Verführungen, die dieser Beruf natürlich mit sich bringt – roter Teppich, Hauptrolle, ein Preis und noch ein Preis – so bodenständig wie möglich entgegenzutreten.

Frage: Und wie macht man das?

Antwort: Naja, indem man es genießt an dem Abend und sich darüber freut. Und dann sagt: «Alright, war ein schöner Abend, eine schöne Party. Weiter geht’s.» Und die Preise vor allen Dingen nicht hinstellt wie Mahnmale. Ich lasse mich gerne verführen, aber eben nur für einen Moment.

Frage: Wo sind denn die Preise gelandet, wenn nicht im Regal?

Antwort: Bei meiner Mutter.

Frage: Sie haben in Leipzig Schauspiel studiert. Wie kann man sich das vorstellen: Sitzen da lauter schöne Menschen mit Reclam-Heften auf dem Gang?

Antwort: Ein schönes Bild. Ja, durchaus. Und wir sprechen immer von einer Definition von schön. Also ich hatte sehr schöne Menschen als Mitkommilitonen und das in jedem Sinne von Schönheit. Und wir hatten bestimmt auch alle mal ein Reclam-Heft in der Hand. Ich habe nach zwei Monaten nochmal an der Busch vorgesprochen (Hochschule für Schauspielkunst «Ernst Busch» in Berlin, Anm. d. Red). Weil ich es nicht auf mir sitzen lassen wollte, dass ich dort nur bis zur zweiten Runde gekommen bin. Und dann habe ich es auch geschafft. Allerdings konnte ich mich gar nicht richtig darüber freuen.

Frage: Und warum nicht?

Antwort: Ich habe gemerkt, dass das eher ein Schein war. Es hat mich dann zwei Wochen gekostet, um final zu entscheiden: Nein, ich bleibe in Leipzig. Und die Entscheidung hatte nicht nur damit zu tun, dass ich selbst einer Verführung hinterhergerannt bin. Sondern eben auch mit meinen schönen, Reclam-Heft-lesenden Kommilitonen. Wir hatten eine ganz fabelhafte Streitkultur. Und haben uns auch runtergeholt von der Selbstüberhöhung des einen oder anderen. Man fühlt sich ja gerade am Anfang des Studiums wie der Nabel der Welt.

Frage: Jetzt spielen Sie im neuen Film von Dominik Graf mit, in der Romanverfilmung «Fabian oder der Gang vor die Hunde». Warum?

Antwort: Erstens wollte ich den Menschen Dominik Graf kennenlernen. Ich wollte diese ganzen Geschichten von ihm hören, zum Beispiel: „Wie war’s mit Götz George beim Schimanski?“ Und auch den intellektuellen Menschen. Den Menschen, um den sich so viele Geschichten ranken. Und der für mich ausstrahlt: «Egal wo du bist, egal was du hast, egal wie jung oder alt du bist: Nach neuen Herangehensweisen kann man immer suchen.» Und außerdem war da die Figur Stefan Labude, die für mich mit ihrem Grundkonflikt interessant war.

Frage: Erich Kästner hat die Geschichte vor 90 Jahren veröffentlicht. Warum sollte man das Buch heute eigentlich noch lesen?

Antwort: Weil es wunderschön geschrieben ist. Es hat einen ganz tollen Witz. Es ist tragisch, komisch, ohne antiquiert zu sein. Es ist übertragbar auf so viele historische Zeiten, natürlich auch auf die Gegenwart. Und es ist sowieso immer ein Genuss, dieser Kästnerschen Sprache zu folgen. Ich habe mich sehr unterhalten gefühlt. Und mir geht das nicht immer so, wenn ich an einer Romanverfilmung teilnehme.

Frage: Bei welchem Roman ging es Ihnen nicht so?

Antwort: Da gibt es den ein oder anderen, aber da möchte ich mich nicht festlegen.

Frage: Gibt es einen Film, von dem Sie finden, dass man ihn im Leben unbedingt gesehen haben sollte?

Antwort: Da gibt es mehrere, auf jeden Fall. Man sollte «Once Upon a Time in America» sehen von Sergio Leone. Oder auch «Jules et Jim», «La Strada», «Cabaret». Als deutschen Film «Victoria» oder – weil wir über Dominik Graf sprachen – «Die Katze» oder seine Serie «Im Angesicht des Verbrechens». Was zum Lachen zur Weihnachtszeit – und das gehört auch zu mir, Kitsch im besten Sinne: «Tatsächlich Liebe». Es muss immer irgendwie lesbar bleiben. Dokumentarfilme kann man auch nie genug angucken.

Frage: Wenn Sie sagen, ein Film müsse lesbar bleiben, was meinen Sie damit?

Antwort: Meiner Meinung nach wird oft zu viel gesprochen, zu viel erklärt, zu viel vorgegeben. Mir fehlt da manchmal das Poetische, das entstehen kann, indem man es dem Zuschauer überlässt. Indem man hinführt, aber nicht erklärt. Tragisch finde ich, wenn alles auserzählt wird – ob verbal, bildhaft oder mit Musik. Dann funktionieren auch Literaturverfilmungen nicht. Weil natürlich jeder seine eigene Lesart hat – und die ist meistens am geilsten.

ZUR PERSON: Albrecht Schuch hat im vergangenen Jahr gleich zweimal den Deutschen Filmpreis gewonnen – für das Drama «Systemsprenger» und die Literaturverfilmung «Berlin Alexanderplatz». Geboren wurde er in Jena, seine Schwester Karoline ist ebenfalls Schauspielerin. Schuch ist in diesem Jahr einer der zehn europäischen Shooting Stars, die jährlich zur Berlinale als Nachwuchstalente geehrt werden.

Copyright 2021, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten, Interview: Julia Kilian, dpa

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