Lidya Jewett (l) als Angela und Olivia Marcum als Katherine in «Der Exorzist: Das Bekenntnis». (Urheber/Quelle/Verbreiter: --/Universal Picture/dpa)

Von «Nosferatu» (1922) über so unterschiedliche Filme wie «Psycho» oder «Carrie» bis hin zu neueren Werken wie «Get Out» (2017) zieht sich eine lange, tiefrote Blutspur an düsteren, skurrilen, und vor allem unheimlichen Kinowerken. Einen besonderen Platz in dieser Liste hat «Der Exorzist» aus dem Jahr 1973. Der mit zwei Oscars bedachte Streifen erzählt mit drastischen Bildern und famoser Musik von einem besessenen Mädchen und erregte damals viel Aufmerksamkeit. Das 50. Jubiläum des Meisterwerks wird nun unter anderem gewürdigt mit einer dicken Jubiläums-Blu-Ray-Box.

Ein besonderes Jahr also für Fans des Films, zumal dessen genialer Erschaffer William Friedkin Anfang August 87-jährig starb. Damit nicht genug erscheint nun ein neuer, sich in mancherlei Hinsicht auf das Original beziehender «Exorzist». Die Regie kommt von David Gordon Green, Ellen Burstyn (Jahrgang 1932), schon im Original mit dabei, spielt erneut mit.

Zwei Mädchen verschwinden

13 Jahre ist es her, dass Victor (Leslie Odom Jr.) seine geliebte Frau bei einem großen Erdbeben auf Haiti verloren hat. Allein und in einem recht weitläufigen Haus zieht er nun die gemeinsame Tochter Angela (Lidya Jewett aus «Good Girls») groß. Ein inniges, rührendes Verhältnis verbindet Tochter und Vater. Der frühe Tod aber der Mutter steht immer im Raum.

Ein neuer Tag: Morgens bringt Victor seine Tochter zur High School, für abends sind beide verabredet. Als Victor nach Hause kommt – es ist schon dunkel – findet er nur leere Zimmer und keine Angela vor. Und auch ihre Freundin Katherine (Newcomerin Olivia O’Neill), mit der Angela nach der Schule unterwegs war, ist weg.

Nach Tagen der Angst, intensiver Polizeiarbeit, Auseinandersetzungen zwischen Victor und Katherines Eltern tauchen beide schließlich wieder auf: äußerlich un-, innerlich aber, das wird immer deutlicher, schwer versehrt. Keiner weiß, was während der drei Tage (später nimmt der Film Bezug auf die Auferstehung Jesu nach drei Tagen) passiert ist; auch die Mädchen erinnern sich an nichts. Allen aber schwant irgendwann: Angela und Katherine werden nie mehr die Alten sein.

Kinder und Jugendliche als Agenten des Bösen – ein längst etablierter Topos im amerikanischen Gruselfilm. War es im Original von 1973 die von einem Dämonen erfasste Regan, so sind es diesmal zwei vom Bösen besessene Teenager. Dass Kinder an der Schwelle zum Erwachsenwerden auch die eigenen Eltern in Gefühlsverwirrungen stoßen, schlägt sich hier auch in der Ton-Spur nieder. Etwa in der Szene, in der das Geschrei eines Kindes nahtlos übergeht in den Lärm eines Presslufthammers.

Grauen und Bedürftigkeit

Kongenial führt hier der Ton-Schnitt fort, was uns Drehbuch und Bildgestaltung bald zwei Stunden lang zeigen: das Grauen, das von Jugendlichen ausgehen kann, aber auch deren große Bedürftigkeit. Die Angst der Eltern um ihre in der Pubertät von scheinbar so vielen Seiten bedrohten Nachkommen.

Es gibt mehrere Gänsehautmomente in diesem Zweistünder. Nicht zuletzt für Fans des ersten Teils. Besonders schön: der Moment, in dem erstmalig das aus dem Original bekannte «Tubular Bells»-Thema von Mike Oldfield ertönt. So wie der erste «Halloween» kaum denkbar ist ohne die großartige Filmmusik von John Carpenter, ist es beim «Exorzist» das sanft-enigmatische Glockenspiel-Thema, welches einen auch 2023 noch berühren, ja erschrecken kann. Oldfields Musik ist so unaufdringlich wie unwiderstehlich, so harmlos wie unvergesslich. Eigentlich passt sie gar nicht recht zu diesem in vielerlei Hinsicht so drastischen (ab 16 freigegebenen) Film. Diese Ambivalenz aber ist es, die das Original genauso auszeichnet wie diese in vielen Szenen würdevolle Forterzählung.

Bei aller Retro-Seligkeit vergisst der Film die Gegenwart nicht: etwa die Szene, in der die von Ellen Burstyn verkörperte Figur davon spricht, dass es viel Böses in unserer Welt gebe. Und, dass sich dies nicht immer nur in übernatürlicher Form zeige. Was unmittelbar an politische Schurken der Jetztzeit denken lässt.

Immer wieder ist es dem amerikanischen Horrorfilm gelungen, gesellschaftliche Strömungen und zeitgenössische Konflikte aufzugreifen – in Genrefilmen der 1960er etwa der Vietnamkrieg oder der Rassismus in den USA. Der derzeitigen Zerrissenheit der US-Gesellschaft setzt der neue «Exorzist» ein überraschend positives, gleichsam utopisches Bild entgegen.

In der obligatorischen, ebenfalls an 1973 angelehnten Austreibungssequenz finden alle Antagonisten des Films zusammen: vom lokalen Priester über den atheistischen Vater, von der gläubigen, indes zweifelnden Krankenschwester bis hin zu den leicht bigotten Eltern Katherines. Ein schöner, für einen Horrorstreifen erstaunlich versöhnlicher Moment. Man vergisst diesen gruseligen, nur bisweilen überzeichneten Kinofilm nicht so schnell. Zumal er zum Nachdenken anregt. Darüber etwa, was das sogenannte Böse ausmacht. Und warum es einen so festen Platz hat in unserer Welt.

– Der Exorzist – Bekenntnis, USA 2023, 112 Min., FSK ab 16 Jahren, von David Gordon Green, mit Ellen Burstyn, Leslie Odom Jr., Lidya Jewett.

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