Ein Brandeisen mit den Buchstaben GWC, mit dem die Initialen einer holländischen Handelsgesellschaft in die Haut ihrer versklavten Arbeiter eingebrannt wurde. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Peter Dejong/AP/dpa)

Ein grauer Balken liegt auf dem Boden, drumherum dicke rostige Eisenketten – eine Fußzwinge. Anfang des 17. Jahrhunderts war sie in der niederländischen Provinz Zeeland angefertigt worden, vermutlich für eine der Kolonien in Südamerika.

Nun liegt das Stück Holz in der Sklaverei-Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum. In seiner groben Einfachheit zeigt dieser «Tronco» (Baumstamm) den ganzen Schrecken eines menschenverachtenden Systems: Neun Menschen konnten damit an die Kette gelegt werden. Sogar Tiere im Stall konnten sich freier bewegen.

Das Rijksmuseum ist sonst große Bühne für die Pracht des sogenannten Goldenen Zeitalters im 17. Jahrhundert. Damals waren die Niederländer Herren des Welthandels und brachten mit ihrer Flotte unermessliche Reichtümer nach Hause. Doch so golden war dieses Zeitalter gar nicht.

Das zeigt ein Goldkästchen, ein Geschenk der Westindischen Compagnie für Statthalter Willem IV. von 1749. Auf dem reich verzierten Deckel präsentieren die Kaufleute ihre Waren: Elfenbein, Gold und Menschen.

Zum ersten Mal befasst sich das Museum mit der dunklen Seite der Geschichte. Der Reichtum beruhte auch auf dem Leiden von Hunderttausenden Menschen. Die Westindische Compagnie (WIC) der Kaufleute war ein großer Spieler im transatlantischen Menschenhandel in Westafrika, Süd- und Lateinamerika und der Karibik, und die Ostindische Compagnie (VOC) in Asien. Millionen Menschen wurden in rund 250 Jahren Kolonialzeit Opfer von Sklaverei.

Erst 1863 schaffte das Land, das sich zu Hause gerne als Wiege der Toleranz und Nächstenliebe präsentierte, die Sklaverei ab – als eines der letzten Länder der Welt. Die Sklavenhalter wurden pro Mensch entschädigt, die befreiten Sklaven aber für weitere zehn Jahre zur Arbeit auf derselben Plantage gezwungen.

«Sklaverei ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Geschichte», sagt Taco Dibbits, Direktor des Museums. «Bisher haben wir aber diese Geschichte nicht vollständig gezeigt.» Zu oft wurde sie einfach übersehen. Schwarze wurden auf Gemälden nicht wahrgenommen oder höchstens als «dekorativer Schmuck».

Schon seit Jahren kämpfen vor allem schwarze Niederländer für die Anerkennung des Leidens ihrer Vorfahren, als Teil der niederländischen Geschichte. Und im Zuge der Rassismus-Debatte wurde diese Frage immer aktueller. «Die Geschichte wird viel zu wenig erzählt», sagt Valika Smeulders, leitende Historikerin des Museums. Das geschieht nun am Beispiel von zehn historischen Personen – Plantagenarbeiter, Sklaventreiber, Kaufleute, Freiheitskämpfer.

«Es geht in dieser Ausstellung darum, was man nicht sieht», sagt Smeulders. Viele Objekte zeigen vor allem die Sklaven als Ware – Kassenbücher, Gemälde von Plantagen oder Karten. Die Objekte stammen aus der Amsterdamer Sammlung sowie aus Südamerika, Indonesien und Südafrika.

Da ist das Brandeisen mit dem Logo der WIC, das den Schwarzen in die Haut gebrannt wurde als Eigentumsbeweis. Oder ein goldfarbenes Halsband. Jahrelang hatte das Museum es als Hundehalsband katalogisiert. Doch auf Gemälden aus dem 17. Jahrhundert sieht man, dass schwarze Diener es tragen mussten.

Objekte aus dem Leben der Sklaven selbst gibt es kaum. Sie hatten keinen Besitz, ihnen wurde die Kultur genommen, die Religion, der Name. Ihre Stimmen aber hören wir in Legenden, Liedern und persönlichen Berichten. «Sklaven sind Hühner, Mama», lautet der Text eines Kinderliedes in der Karibik. «Der Landherr verkauft uns, Mama, Sklaven sind Hühner.»

Die Personen bekommen ein Gesicht und eine Geschichte – eindringlich, beklemmend, aber auch hoffnungsvoll. Das harte Leben von Wally auf der Zuckerplantage. Die Flucht der starken Frau Sapali in Surinam. Sie versteckte Reiskörner in ihrem geflochtenen Haar und sicherte das Überleben der Gemeinschaft.

Oder die Kaufleute Marten und Oopjen: Rembrandt malte das Paar 1634. Von Kopf bis Fuß – das konnten sich nur die sehr Reichen leisten. Als fantastische Rembrandts wurden die beiden Bilder bisher bewundert. «Doch wir müssen weiter schauen», sagt Direktor Dibbits. Marten und Oopjen waren reich geworden durch die Sklavenarbeit auf Zuckerplantagen. Später heiratete Oopjen – nachdem sie früh Witwe geworden war – den Offizier Maerten Daey. Wusste sie, dass er in Brasilien eine schwarze Frau gefangen gehalten und grausam missbraucht hatte?

Wände mit gebrochenen Spiegeln erlauben Durchblicke von einem Objekt auf das andere, und dann zurück zum Besucher. Er wird Teil der Geschichte. Aber ein moralischer Zeigefinger soll das nicht sein, sagt die Historikerin Smeulders, sondern eine Anregung zum Nachdenken: «Wir müssen die Vergangenheit anerkennen, nicht leugnen.»

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