Metal-Fans sind auf dem schlammigen Festivalgelände unterwegs. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christian Charisius/dpa)

Schlamm, wohin man auch schaut, vor und hinter den noch geschlossenen Toren des Heavy-Metal-Festivals. Rund um das beschauliche Wacken in Schleswig-Holstein herrscht am Dienstag Chaos. Viel Regen am Montag hat den Campingplätzen arg zugesetzt. Auf den Wegen versinkt so mancher Metalhead bis über die Knöchel im Matsch.

Bei der Anreise geht zunächst kaum etwas voran, dann ziehen die Veranstalter am späten Dienstagnachmittag die Notbremse. Nur Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe dürfen noch auf das Gelände. Wie viele der erwarteten 85.000 Besucher da schon dort sind – die Frage bleibt zunächst unbeantwortet. «Ich hoffe, dass wir die Hälfte drinnen haben oder noch mehr», sagte Festivalmitbegründer Thomas Jensen. Die Besucher des Festivals dürften weiter auf das Gelände, «nur nicht mit Auto».

Die späte Ansage verärgert manche, die schon angereist sind: «Das ist ganz schön kacke. Da hätte man sich schon besser vorbereiten können, allein schon weil es seit Wochen bekannt war, dass es regnen wird», kritisiert Alicia aus Landshut die Organisation des Heavy-Metal-Festivals. Sie mache sich Sorgen, dass das Festival auch noch abgesagt werde. «Mir wäre es sogar recht, wenn es noch abgesagt wird», sagte Malte aus dem Ahrtal. Die Festival-Planer hätten gewusst, wie das Wetter ist. «Die hätten das viel früher stoppen können.» Deswegen sei er sauer.

Ein anderer Besucher äußerte aber auch Verständnis für die Veranstalter. Es tue ihm unheimlich leid für alle, die sich seit Wochen bis Monaten vorbereitet hätten, sagte Rolf aus dem Sauerland. «Das ist ja ein Riesen-Event und man ist machtlos der Sache gegenüber».

Kritik in den sozialen Medien

Regen und Schlamm sind die Metalfans im Norden bereits gewohnt. «Rain or shine» (Ob Regen oder Sonnenschein) lautet ein Festivalmotto. Doch in den sozialen Medien mehrt sich Kritik an den Veranstaltern. Ihr Update zum bereits am Montag verhängten Anreisestopp kommt erst am Mittag, deutlich später als erst angekündigt. Das Einlass-Ende für Autos folgt noch einmal Stunden später. Einige Nutzer melden sich verärgert von unterwegs – viele stehen da schon viele Stunden im Stau.

Wer mit dem Auto anreist, braucht Geduld. «Ich bin am Montag gegen 9.30 Uhr in der Region Wacken angekommen, abends um 20.15 Uhr stand ich dann auf meinem Stellplatz», sagt der Berliner Uli. Seine gute Laune lässt er sich dennoch nicht vermiesen. Es ist sein fünfter Besuch in Wacken. «Beim Wetter kann man nichts machen.» Er erinnere sich noch gut an seine Premiere 2017, da sei das Wetter im Norden ähnlich gewesen.

Nach dem finalen Anreisestopp entlädt sich im Netz teils die Wut. «Fairerweise dann komplettes Festival canceln?!», schreibt ein Instagram-Nutzer unter einen Post der Veranstalter. Rund 500 Kommentare sammeln sich dort innerhalb einer halben Stunde. «Wer also irgendwie anders nach Wacken kommt, bekommt das Festival? Sehr unglückliches Krisenmanagement und Kommunikation», schreibt ein anderer Nutzer. Ein Besucher aus Portugal fragt, wo er nun heute Nacht schlafen soll.

«Wir sind sehr traurig, diese schwere Entscheidung – zum ersten Mal in der Geschichte des W:O:A – treffen zu müssen», berichten die Veranstalter kurz zuvor. Durch den vielen Regen der vergangenen 24 Stunden und den schlechten Zustand der Campingflächen, Veranstaltungsflächen und Zuwege könnten keine Fahrzeuge mehr auf das Gelände gelassen werden. Informationen zum Umgang mit den knapp 300 Euro teuren Tickets sollen folgen.

Dennoch wird gefeiert

Wer es dagegen auf das Gelände geschafft hat, feiert dort am Dienstag. Aus Boxen erklingt Heavy-Metal, unter Zelt-Pavillons überbrücken Besucher Regenschauer, indem sie Bier trinken und Karten spielen. Und klar, das berühmte langgezogene Wackeeeeen ist auch zu hören. «Immerhin ist es nicht so trocken wie 2022», sagt Lukas aus Bochum. Für ihn ist der Ort etwas Besonderes: «Man kommt hier zu 75.000 Freunden – das ist Wacken.» Kommt ein Besucher mit dem Wagen nicht mehr weiter, ist meist schnell Hilfe zur Stelle. An vielen Orten prangen die drei Buchstaben des Wacken Open Air (W:O:A).

Auch bei Steve aus Oberfranken ist die Stimmung gut. Mit seinen Kumpels sitzt er unter einem blau-weiß gestreiften Pavillon. Es sei «zum ersten Mal wie eine VIP-Area hier», sagt er, «weder Schlangen an den Essensständen noch am Merge, weil halt eben so wenig Leute hier sind». Die Leute, die ihre Anreise stoppen müssen, täten ihm leid.

Einige Meter weiter schwingt Antje ihre Dreadlocks zum Takt der Musik. «Waaaacken» grölen sie und ihre Freunde, in einem Topf auf einer Feuerschale kocht ein Rinderbraten. Das Wetter schade der Stimmung nicht, erzählt die Schweizerin. «Ich habe mich ein Jahr darauf gefreut, ich muss Party machen, oder?», fragt sie scherzend und lacht.

Wenige Stunden später ist auf dem Gelände die Unsicherheit groß: Kann Wacken überhaupt stattfinden? Eine Absage des Festivals steht auch am Dienstagabend noch nicht im Raum. Eigentlich geht es am Mittwoch offiziell los. Zum Auftakt soll die örtliche Feuerwehrkapelle spielen, am Abend dann Metalqueen Doro Pesch auf der Bühne stehen. Insgesamt sind mehr als 200 Konzerte auf neun Bühnen geplant.

Bereits das vierte Mal in Wacken dabei ist die britische Band Iron Maiden. Zudem werden Acts wie Megadeth und Helloween erwartet. Fest steht: Es wird nach dem Chaos im Vorfeld ein anderes Wacken als sonst.

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