Pater Tobias läuft und läuft und läuft. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Roland Weihrauch/dpa)

Sein Büro neben der Duisburger Herz-Jesu-Kirche sieht zur Hälfte aus wie eine Sakristei – und zur Hälfte wie ein Sportgeschäft für Langstreckenläufer. Der Duisburger Pater Tobias ist Prämonstratenser – ein frommer Mann, der im Kloster sein weißes Ordensgewand trägt.

Zugleich ist er begeisterter Marathon- und Ultramarathon-Läufer, der schon 111 dieser Langlauf-Wettbewerbe absolviert hat.

Beide Dinge passen gar nicht so schlecht zusammen. Denn der 57-Jährige betet gelegentlich auch beim Laufen – am liebsten das Vaterunser und ganz besonders, wenn ihm die Puste ausgeht. Und er sammelt mit jedem Laufkilometer Spenden von Sponsoren für sein 2007 gegründetes Projekt «LebensWert» – eine Beratungsstelle mit Sozialcafé, syrisch-deutschem Restaurant und Kinderhilfswerk mit insgesamt 19 Mitarbeitern.

Ein Unternehmen zahlt ihm beispielsweise zwei Euro für jeden Marathon-Kilometer. Allein sieben Wettbewerbe hat er schon dieses Jahr absolviert. Insgesamt rund 1,5 Millionen Euro hat der «Marathon-Pater» seit 2006 erlaufen.

Duisburg-Neumühl im Norden der Industriestadt ist ein armes Viertel. Das sieht man in der Fußgängerzone und nicht zuletzt an der schmutzig-grauen Fassade der Kirche selbst. Fast jedes zweite Kind ist hier von Armut bedroht – das heißt zu wenig Geld für gesundes Essen, für Sportkleidung und Vereinsbeiträge, für Ausflüge, Kinderfreizeiten und Weihnachtsgeschenke.

Dagegen will der Pater mit seinem Hilfswerk ankämpfen. Es unterstützt Koch- und Schwimmkurse, einen Ernährungsführerschein, bietet Hilfe für Kinder, deren Familien sich Kleidung oder Behandlungskosten nicht leisten können, eine Weihnachtswichtelaktion und einmal in der Woche ein Schulfrühstück für 420 Grundschulkinder.

Die Beratungsstelle des Projekts hilft auch Bedürftigen, die sich im Dickicht von Hartz 4, Wohngeld und Jugendamt nicht zurechtfinden, «verschwiegen und auf Augenhöhe», wie es in einem Prospekt heißt. Im syrisch-deutschen Restaurant kochen und bedienen einstige Flüchtlinge, einige laufen sogar mit dem Pater Marathon – alles keine Selbstverständlichkeit in einem benachteiligten Viertel, in dem die Stimmung kippt und die AfD bei der letzten Bundestagswahl mit fast 30 Prozent stärkste Partei war.

Seine Erfahrungen als Junge, der auf dem Bauernhof mit angepackt hat, als junger Kaufmann in einem Autohaus und dann als Mönch nach seinem Theologiestudium und seine Erlebnisse bei den Läufen hat Pater Tobias zusammen mit einer Ko-Autorin in einem Buch niedergeschrieben, das am 1. April erschienen ist.

Eine besondere Rolle spielt dabei das bisher größte Abenteuer des Paters: ein 172-Kilometer-Lauf mit Acht-Kilogramm-Rucksack durch den feinen Sand der Wüste des Oman mit hunderte Meter hohen Dünen, Giftschlangen und Skorpionen, und einer langen Nachtetappe durch die Dunkelheit – Scheinwerfer als Orientierungspunkte nur alle zwei Kilometer.

Hier, in der stundenlangen Einsamkeit der Nacht, fühlte sich der gläubige Christ Gott besonders nahe – und seiner früh gestorbenen Mutter, wie er beschreibt. Doch zugleich hatte das existenzielle Erlebnis einen ganz konkreten Nutzen: Die Wüstenreise brachte, weil sie so extrem war, ganz besonders viel Spendengelder ein: 26 000 Euro.

«Ich will so leben wie Jesus», sagt Pater Tobias immer wieder. «Und Jesus redete nicht nur, er handelte auch», heißt es im Buch. Das gilt dann auch für die nächsten Projekte des Paters: 2023 will er in der eisigen Kälte der Antarktis einen Marathon laufen. Und: Er sammelt Geld, um endlich die Fassade seiner Kirche zu renovieren.

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