Wolken ziehen über das Bayreuther Festspielhaus. Kurz vor dem Start überschatten Sexismusvorwürfe die Festspiele. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Nicolas Armer/dpa)

Die Bayreuther Festspiele kündigen nach Sexismus-Vorwürfen Konsequenzen an. «Das sind ungeheuere Vorwürfe», sagte der Vorsitzende des Verwaltungsrates, Georg von Waldenfels, am Samstag.

Es gebe «gar kein Vertun, dass wir mit allem Ernst und aller Unnachgiebigkeit dem nachgehen werden». Der Verwaltungsrat wolle sich in seiner nächsten Sitzung mit dem Thema befassen.

Der Start der Festspiele an diesem Montag wird von Sexismusvorwürfen überschattet und hat nun auch eine #Metoo-Debatte. Im «Nordbayerischen Kurier» berichteten Frauen, dass sie auf dem Grünen Hügel angefasst wurden oder sich sexuelle Anzüglichkeiten anhören mussten. Festspiel-Chefin Wagner bestätigte, dass auch sie selbst betroffen war: «Sexuelle Anzüglichkeiten und teilweise Übergriffe in gewisser Weise ja», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. «Ich habe mich aber zu wehren gewusst.» Am Samstag fügte sie hinzu, sie habe «sehr sehr deutlich gehandelt».

Appell an weitere Betroffene, sich zu melden

Sie befinde sich als Festspiel-Chefin aber auch in keiner Abhängigkeit. Sie könne verstehen, dass Frauen, die in der Hierarchie nicht so weit oben stünden wie sie, Angst hätten, über Übergriffe zu sprechen. Diese Angst wolle sie den Frauen nehmen. Sie rief sie auf, sich zu melden – auch anonym über einen Briefkasten oder Briefe, die unter ihrer Bürotür hindurchgeschoben werden könnten.

Unabhängig von den Übergriffen waren auch Vorwürfe gegen den früheren Musikdirektor Christian Thielemann bekannt geworden, der in diesem Jahr den «Lohengrin» dirigiert. Er soll sich frauenfeindlich geäußert haben, weil zwei Bassistinnen im Orchester ihm zuviel gewesen seien. Thielemann hatte diese Vorwürfe ebenso zurückgewiesen wie die, er vergreife sich hier und da im Ton.

Waldenfels sagte, er habe Thielemann mit den Vorwürfen konfrontiert. Der habe sich nicht darüber beschwert, dass es zwei Frauen am Bass gab, sondern dass es zwei neue Gesichter gewesen seien und ihm die Zusammensetzung des Orchesters mit vielen neuen Musikern nicht gefallen habe. Mit dem Geschlecht der Bassistinnen habe das nichts zu tun gehabt. Auch die beiden Frauen hätten Waldenfels gegenüber angegeben, Thielemann habe sie sehr zuvorkommend behandelt.

Auftakt der Festspiele am Montag

Die Festspiele, die in diesem Jahr auch noch mit der Corona-Pandemie und insgesamt bislang 80 Infektionen im Team zu kämpfen hatten, bemühten sich bei der Pressekonferenz auch, den Blick von der Debatte weg hin auf das zu lenken, was in dieser Jahr auf der Bühne zu sehen sein wird. Neben der als «Netflix-Ring» von Valentin Schwarz bekannt gewordenen Neuinszenierung von Wagners Mammutwerk steht auch noch ein neuer «Tristan» auf dem Programm. «Man kann sich freuen auf Montag», betonte Wagner.

Sie gab bei der Pressekonferenz auch das Engagement der zweiten Dirigentin in der Festspiel-Geschichte bekannt: Nachdem Oksana Lyniv im Vorjahr als erste Frau am Pult des weltberühmten Festivals ihr Debüt gegeben hatte, wird im kommenden Jahr Nathalie Stutzmann dirigieren. Sie übernehme die musikalische Leitung bei der Wiederaufnahme des «Tannhäuser».

Die 57-jährige Stutzmann stammt aus Frankreich. In der kommenden Saison 2022/23 übernimmt sie die als erste Frau die Position des Music Director beim Atlanta Symphony Orchestra. Derzeit arbeitet Stutzmann als Chefdirigentin des Kristiansand Symphony Orchestra in Norwegen sowie als erste Gastdirigentin des Philadelphia Orchestra.

Wagner fordert Reformen

Intendantin Wagner knüpft ihre Zukunft bei den Bayreuther Festspielen derweil an die Forderung nach Reformen. «Aus meiner Sicht ist eine Veränderung gewisser Strukturen tatsächlich unumgänglich. Davon hängt auch maßgeblich ab, ob und wie ich mir weitere Jahre als Festspielleiterin vorstellen kann», sagte die Urenkelin des Komponisten Richard Wagner im dpa-Interview.

«Gewisse Dinge müssen einfach professionalisiert werden», betonte Wagner. Welche das aus ihrer Sicht sind, wollte sie auf Nachfrage nicht sagen. «Das sollte zunächst einmal innerhalb der GmbH diskutiert werden und noch nicht öffentlich.» Ihrer Ansicht nach müssten sich «vor allem Strukturen in der GmbH» ändern. Wagners Vertrag läuft noch bis 2025.

Die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hatte Ende 2020 schon Reformen für die Festspiele gefordert: «Mir geht es darum, dass es in Bayreuth vernünftige und wirksame Strukturen gibt.» Eine Arbeitsgruppe wurde eingesetzt, die sich mit den Strukturen vor allem der Stiftung befassen soll. «Dass Frau Professor Grütters mit ihrer Einschätzung, dass sich etwas ändern muss, Recht hat, hatte ich ja damals schon gesagt», sagte Wagner nun der dpa.

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