Für seine Rolle in «The Whale» wurde Brendan Fraser als bester Hauptdarsteller mit einem Oscar ausgezeichnet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: -/A24/dpa)

Die Geschichte des Films «The Whale» ist eine Geschichte über Brendan Fraser. Sie endet mit seiner Oscar-Auszeichnung für die Hauptrolle in diesem Drama. Und sie startet mit einem Mann, der nach einer beispielhaften Karriere lange von der Kino-Leinwand verschwunden war und unter Depressionen litt. Mit «The Whale» von Darren Aronofsky ist dem 54-Jährigen ein überwältigendes Comeback gelungen.

Er spielt darin einen Mann namens Charlie, der wegen extremen Übergewichts gesundheitlich stark angeschlagen ist und sich nach Jahren der Stille seiner Tochter wieder annähern will. Die sehr emotionale Geschichte rührte schon bei ihrer Premiere auf dem Filmfestival in Venedig Menschen zu Tränen. Im März gewann Fraser dafür seinen ersten Oscar.

Er kann sich kaum bewegen

Er wurde für die Rolle mit einem gewaltigen Fat Suit ausgestattet. Charlie kann sich nur noch mit einem Wägelchen von seiner Couch wegbewegen. In Venedig sagte Fraser, er habe für diese Rolle lernen müssen, sich auf ganz neue Weise zu bewegen. Wenn er abends nach einem Drehtag seinen Fat Suit abgenommen habe, sei ihm schwindlig geworden (neben den überwiegend positiven Reaktionen auf seine Rolle gab es übrigens auch Stimmen, die kritisierten, dass ein dicker Körper in diesem Film so negativ dargestellt werde).

Charlie gibt Online-Kurse als Schreiblehrer. Seine Wohnung verlässt er eigentlich nie, und wir sehen, warum: Das Bewegen macht ihm Mühe, sein Atem rasselt dann, Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn. In Momenten, in denen er sich dem Ende nahe fühlt, rezitiert er aus einem Essay über «Moby Dick», der ihn besonders berührt.

Er sucht den Kontakt zu seiner Tochter

Manchmal kommt eine Freundin, Liz (Hong Chau), zu Besuch. Sie arbeitet als Krankenschwester und ermahnt ihn, dass er bald sterbe, falls er nicht ins Krankenhaus gehe. Doch Charlie hat keine Krankenversicherung und weigert sich. Angesichts seines drohenden Todes will er den abgebrochenen Kontakt zu seiner Tochter Ellie (Sadie Sink, bekannt aus «Stranger Things») wieder aufnehmen. Natürlich ohne ihr den Grund dafür zu sagen.

Die beiden hatten seit Jahren keinen Kontakt, nachdem Charlie Ellies Mutter für einen Mann verlassen hatte. Dieser Mann lebt nicht mehr. Ellie wiederum ist ein wütender Teenager ohne jegliches Verständnis für Charlies Situation.

Man könnte sagen, «The Whale» geht sehr offensiv mit Gefühlen um. Wenn Charlie mit belegter Stimme herauspresst, dass er wissen müsse, dass er «eine Sache im Leben richtig gemacht» habe – und die Zuschauer den Schmerz in Frasers signifikant wässrigen, großen blauen Augen ablesen können – ist es schwer, davon nicht berührt zu werden. Manche mögen das vielleicht etwas zu plakativ finden.

Doch Frasers Leistung sorgt dafür, dass jede Szene glaubhaft wird. Beeindruckend ist es zu beobachten, was in seinem Gesicht und seinem Körper passiert. Seine Gemütszustände wandeln sich manchmal in Sekunden. Ein Lachen wird zu einem erstickenden Glucksen, einem Hustenanfall, dann zu einer wütenden Entschlossenheit, wieder die Kontrolle über seinen Körper zu erlangen.

Dass Fraser für diese Performance den Oscar bekam, ist verdient. Vielleicht wollten manche Academy-Mitglieder damit neben seiner Leistung aber auch sein beispielloses Comeback belohnen.

Wer in den 90ern Kinofilme schaute, kam an Fraser eigentlich nicht vorbei. Mit Rollen in «George – Der aus dem Dschungel kam» und vor allem «Die Mumie» wurde der US-amerikanisch-kanadische Schauspieler berühmt. Danach wirkte Fraser weiter in Filmen mit, zum Beispiel dem Drama «L.A. Crash».

Opfer sexueller Belästigung

Doch privat sei in dieser Zeit viel passiert. In Interviews erzählte er zum Beispiel dem «GQ Magazin», dass er sich bei Action-Drehs, etwa der dritten Fortsetzung von «Die Mumie», immer mehr Verletzungen zuzog. Er sei fast sieben Jahre lang wegen diverser Operationen ständig im Krankenhaus gewesen. Schicksalsschläge wie seine Scheidung und der Tod seiner Mutter hätten ihn zusätzlich belastet.

Im Jahr 2003, so schilderte Fraser es im Interview des «GQ Magazin», erschütterte ihn ein Fall sexueller Übergriffigkeit. Ein ehemaliger Präsident des Verbands der Auslandspresse (HFPA/Hollywood Foreign Press Association) – also jener Gruppe, die die Golden Globes ausrichtet – habe ihn ungefragt am Hintern und umliegenden intimen Körperteilen angefasst. Der Mann widersprach dieser Darstellung, gab aber zu, ihm «aus Spaß» an den Hintern gegriffen zu haben. Fraser erzählte, er sei danach depressiv geworden.

Seine Karriere knickte ein. In seiner Lesart könnte das auch mit der Macht des Verbands zu tun haben, dessen Vorsitzenden er kritisiert hatte, erzählte er (der Verband dementierte das). 20 Jahre nach dem Übergriff wurde Fraser schließlich für seine Rolle in «The Whale» erstmals für einen Golden Globe nominiert – und boykottierte die Veranstaltung.

Tränenreiche Dankesrede bei den Oscars

Dann kamen die Oscars. Als Fraser auf die Bühne schreitet, hat er tränenerfüllte Augen. «Ich habe vor 30 Jahren in diesem Business angefangen», sagte er in seiner Dankesrede. «Und die Dinge fielen mir nicht leicht». Er habe die Filmindustrie damals nicht ernst genommen, sagte er. «Bis es aufhörte.» Sein Leben sei wie eine Tauchexpedition auf dem Grund des Ozeans gewesen und seine Söhne, sein Manager oder seine Freundin hätten ihn mit Luft versorgt. «Und ich möchte einfach Danke sagen für diese Anerkennung», so Fraser auf der Bühne.

30 Jahre nach seinen Anfängen, nach dem Karriereknick und zahlreichen emotionalen Rückschlägen ist Fraser also wieder da, größer als je zuvor. Und das mit einem Film, für den er körperliche Grenzen überschreiten musste, der ihn äußerlich nicht gerade in einem glorreichen Licht zeigt. Es ist eine Geschichte, wie kein Hollywood-Film sie besser hätte schreiben können.

The Whale, USA 2022, 117 Minuten, FSK ab 12, von Darren Aronofsky, mit Brendan Fraser, Sadie Sink, Hong Chau

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